Das Gehirn galt lange als steriles Organ, geschützt durch die Blut-Hirn-Schranke, eine Membran, die Krankheitserreger filtert und deren Eindringen verhindert. Neuere Forschungsergebnisse widerlegen diese Vorstellung jedoch und zeigen, dass das Gehirn tatsächlich eine Vielzahl von Mikroorganismen beherbergt. Einige von ihnen könnten zudem an neurodegenerativen Prozessen, insbesondere der Alzheimer-Krankheit und anderen Demenzformen, beteiligt sein.
Ein Gehirn, das alles andere als steril ist: Eine aktuelle Entdeckung.
Die Vorstellung, das Gehirn sei ein keimfreies Refugium, wird nun infrage gestellt. Im Jahr 2023 analysierten schottische Forscher in einer Studie 79 postmortale Gehirnproben von Amerikanern und Briten, sowohl mit als auch ohne Alzheimer-Erkrankung. Die Ergebnisse waren vielversprechend: Alle untersuchten Gehirne, gesunde wie kranke, wiesen eine beeindruckende Vielfalt an Mikroorganismen auf (Hu et al., 2023). Im Durchschnitt enthielt jede Probe etwa 100.000 verschiedene Bakterien-, Pilz- und Virenarten.
Diese Entdeckung untermauert die langjährige Hypothese, dass das Gehirn eine Art „Gehirnmikrobiota“ sein könnte, die unsere neuronale Gesundheit auf die gleiche Weise beeinflusst wie die Darmmikrobiota unsere Verdauung und unser Immunsystem.
Mikroben und neurodegenerative Erkrankungen: Ein nachgewiesener Zusammenhang.
Die Idee, dass Mikroben die Neurodegeneration beeinflussen können, ist nicht neu. Bereits in den 1990er-Jahren wiesen Forscher das Herpesvirus im Gehirn von Alzheimer-Patienten nach. Später identifizierten weitere Studien das Bakterium Porphyromonas gingivalis, das für Zahnfleischentzündungen verantwortlich ist, im Gehirn von Menschen mit Demenz. Diese Ergebnisse wurden jedoch lange Zeit skeptisch betrachtet.
Ein bedeutender Durchbruch gelang 2010: Forscher wiesen nach, dass Amyloid-Plaques, ein charakteristisches Merkmal der Alzheimer-Krankheit, als Reaktion auf bestimmte Krankheitserreger entstehen. Diese Proteinaggregate, die einst als einfache toxische Krankheitsmarker galten, könnten tatsächlich eine Schutzfunktion erfüllen, indem sie eindringende Mikroben einfangen. Ein ähnliches Phänomen wurde bei der Parkinson-Krankheit beobachtet, wo Alpha-Synuclein-Proteine offenbar zur Bekämpfung von Krankheitserregern produziert werden.






